„Ist die SP eine linke oder rechte Partei?“ Diese Frage an einer kürzlichen Veranstaltung hat mich zuerst einen kurzen Moment lang irritiert, bis ich dann festgestellt habe, dass es der Fragesteller wirklich nicht weiss. Einige Tage später an einer Standaktion auf der Strasse hat mir eine ältere Frau gesagt: „Wissen Sie, mit links, rechts und der Mitte kann ich nichts anfangen, ich weiss nicht mal, was damit genau gemeint ist – für mich gibt es einfach vernünftige und anständige Politikerinnen und Politiker und unvernünftige und unanständige.“

Was für uns Polit-Akteure eine klare Sprache ist mit verständlichen Begriffen, ist es für viele Personen – wohl mehr als wir annehmen – nicht. Sie verstehen schlichtweg nicht, was damit gemeint ist. Ihnen sagen die Kategorien „links“, „rechts“ oder „Mitte“ nicht viel. Dabei ist die Realität eigentlich sogar noch komplizierter: Vor Jahren hat der ehemalige FDP-Präsident Franz Steinegger das Links-Rechts-Schema für überholt erklärt und darauf hingewiesen, dass es nebst der horizontalen Achse (links bis rechts) auch eine vertikale gebe (konservativ bis progressiv). In der Politikwissenschaft und der politischen Literatur ist dies bereits seit Längerem anerkannt. Häufig wird statt „progressiv“ auch „liberal“ verwendet. Wird dies denn besser verstanden?

Ein anderes, ähnliches Beispiel ist der Begriff „bürgerlich“. Er wird häufig verwendet. Aber was bedeutet er? Mal wird er positiv dargestellt (von den Bürgerlichen), mal kritisch (von den Linken). Eine spontane Umfrage bei Berufsschülern hat Antworten gebracht von der Annahme, dass damit alle Bürger eines Landes gemeint seien bis zur Aussage, dass es sich dabei um eine Menüauswahl handle – die gutbürgerliche Küche lässt grüssen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich behaupte keineswegs, dass generell das politische Wissen tief sei und niemand die Polit-Sprache verstehe. Es hat viele engagierte und interessierte Personen. Und das ist gut so! Aber Fakt ist auch, dass es ebenso viele – insbesondere auch jüngere – Personen hat, die zahlreiche verwendete Begriffe nicht verstehen und sich demzufolge auch nicht eigenständig eine fundierte Meinung bilden und sich nicht aktiv einbringen können. Das finde ich bedenklich. Nicht nur als Politiker, sondern auch als Staatsbürger und als Demokrat.

Was tun? Die politische Bildung muss in der Volksschule einen höheren Stellenwert erhalten. Das ausgeklügeltste politische System nützt uns wenig, wenn es am Ende von immer weniger Leuten verstanden wird. Bei den Medien braucht es mehr als Boulevard – und es braucht Leute, die mehr als Boulevard lesen. Was es aber auch braucht: Wir Politiker müssen so reden, dass wir verstanden werden. Wir müssen die Dinge beim Namen nennen: Statt von „links“, „rechts“ und Co. müssen wir erklären, um welche Themen es geht und welche Partei zu welcher Frage was sagt, seien es die Sozialwerke, das Asylwesen oder Europa. Und statt von den „Bürgerlichen“ müssen wir konkret von SVP, FDP und CVP sprechen – und bei den „Linken“ von SP, Grünen und Alternativen. Gefragt ist eine deutsch und deutliche Sprache – im besten Sinn.

Gastkommentar Wochenspiegel, Dezember 2015


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