«Ach du meine Güte, so ein Gschiss wegen einer Software zur Verbrechensbekämpfung. Entscheidend ist doch, dass gegen die Kriminalität vorgegangen wird. Und jetzt zeigt eure Jungpartei auch noch euren eigenen Regierungsrat an, der immerhin was tut.» Solche Reaktionen wie die einer (der SP wohlgesinnten) Bekannten erhalte ich in diesen Tagen einige. Die Diskussion über die Anschaffung der Software «Galileo» durch die Kantonspolizei zeigt, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sein können. Da und dort wird vor lauter Bäumen der Wald nicht mehr gesehen.

Für mich ist klar: Eine wirksame und effiziente Strafverfolgung ist Aufgabe des Staates und liegt auch im Interesse der Linken. Ich will, dass Geldwäscherei, Drogenhandel, Menschenhandel, Waffenhandel und andere Kriminalitätsformen bekämpft werden. Die Bevölkerung darf nicht den Eindruck erhalten, dass die Linke hier keine klare Linie hat und herumzaudert. Für mich ist aber auch klar: Für diese Kriminalitätsbekämpfung darf es keine flächendeckende Überwachung und Pauschalverdächtigungen geben. Die Strafverfolgung muss auf gesetzlichen Grundlagen beruhen und sie muss auf den konkreten Einzelfall ausgerichtet sein. In diesem strafrechtsrelevanten Einzelfall müssen die Behörden aber über die notwendigen Instrumente verfügen, um Beweismittel zu beschaffen und Überführungen zu ermöglichen – und dazu gehören auch moderne Überwachungstechniken.

Zur Frage, inwiefern die Anschaffung und die Anwendung der Software Galileo diesen Anforderungen genügt oder nicht, gibt es verschiedene Einschätzungen. Vieles ist Vermutung und Interpretation, einiges ist unklar. Umso wichtiger ist, dass eine politische Debatte stattfindet, was eine zeitgemässe Strafverfolgung leisten muss und leisten darf – und wo die Grenzen sind. Ebenso braucht es eine Klärung der offenen Fragen rund um «Galileo» durch die zuständigen Aufsichtskommissionen des Kantonsrats.

Was es jedoch definitiv nicht braucht, ist eine Strafanzeige gegen den Sicherheitsdirektor. Politisches muss politisch gelöst werden. Die Strafanzeige der Juso führt nicht zu einer raschen sachlichen Klärung, im Gegenteil: Sie führt zu einem Polit-Geplänkel (als erstes müsste der Kantonsrat für eine Strafuntersuchung die Immunität aufheben) und drängt die inhaltliche Diskussion in den Hintergrund. Wer sich dabei ins Fäustchen lacht, liegt auf der Hand.

Die Behauptung – notabene von ganz links und ganz rechts vorgebracht – die Grundrechte würden gefährdet, ist etwas gar voreilig. Die Grundrechte sind in unserer Verfassung garantiert und gelten für alle. Für bestimmte Situationen – beispielsweise die Strafverfolgung – werden sie durch Gesetze eingeschränkt. Das entspricht dem Prinzip des demokratischen Rechtsstaats. Das eine schliesst das andere nicht aus – und ist für ein funktionierendes Staatswesen unerlässlich.

Also: Verlieren wir vor lauter Bäumen den Wald nicht aus dem Blick, konzentrieren wir uns auf die inhaltlichen Fragen und lassen wir das Geplänkel weg!

Kolumne im P.S., Juli 2015


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