„It’s the economy, stupid!“ Mit diesem Slogan zog Bill Clinton 1992 in den US-Präsidentschaftswahlkampf – und gewann bekanntermassen. Kürzlich habe ich in Anlehnung daran gelesen: „It’s the middle class, stupid!“. Entscheidend ist also der Mittelstand, sowohl für das Funktionieren eines Staates und einer Wirtschaft, als auch für das Gewinnen (oder Verlieren) von Wahlen. Das stimmt nicht nur für die USA, sondern auch für die Schweiz: Der Mittelstand ist das gesellschaftliche und wirtschaftliche Rückgrat. Als Mittelstand werden meist die Personen mit mittlerem Einkommen verstanden. Berechnungen zufolge sind dies rund 60 Prozent der Bevölkerung.

Der „Tages-Anzeiger“ hat vor einigen Tagen die Behauptung aufgestellt, dass der Mittelstand zunehmend unter seinen Belastungen ächze und stöhne – und es Personen mit kleinerem Einkommen (finanziell) unter dem Strich häufig besser gehe, weil der Staat sie stärker unterstütze. Verantwortlich dafür seien die von der SP propagierte Umverteilung und die Weigerung der Linken, Steuererleichterungen zu unterstützen. Die SP habe folglich ein Problem mit dem Mittelstand.

Meine Wahrnehmung ist eine andere. Ich zähle mich selber zum Mittelstand und habe viele Freunde und Verwandte, die dies auch tun. Von ihnen höre ich kein Klagen über mangelnde Steuererleichterungen oder über Umverteilung. Was ich von ihnen jedoch höre, sind Aussagen über hohe Mieten, steigende Krankenkassenprämien, teure Kita-Plätze, Druck bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, tiefe Löhne von Frauen – um nur einige Beispiele zu nennen. Oder anders ausgedrückt: Das wahre Problem des Mittelstands sind die Lebenskosten und nicht die Steuerbelastung oder die Unterstützung von Personen mit tiefem Einkommen. Und genau hier setzt die Politik der SP an: Förderung von bezahlbarem Wohnraum, Ausbau und Unterstützung der ausserfamiliären Kinderbetreuung, Einführung von Tagesschulen, Senkung der Gesundheitskosten, gleiche Löhne für gleiche Arbeit von Mann und Frau, mehr Teilzeitstellen und ja: Keine weiteren Steuererleichterungen für Vermögende, die zu Einnahmeausfällen führen, die entweder durch Abbauprogramme oder aber durch höhere Gebühren und Abgaben von allen (auch des Mittelstands) kompensiert werden müssen.

Der Versuch, Personen mit kleinerem und mittlerem Einkommen gegeneinander auszuspielen, ist unsinnig. Das reale Problem ist ein anderes: Die immer grösser werdenden Unterschiede zwischen den höchsten Einkommen und Vermögen und dem grossen Rest. Fazit: Die SP hat kein Problem mit dem Mittelstand. Die SP ist die Partei des Mittelstands.

Kolumne im P.S., Februar 2015


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